Ich liebe die Natur! Überall wo ich bin, aber die Natur in der Altmark ganz besonders. Hätte die Sache nicht einen Haken. Einen ganz fiesen – mit Widerhaken. Brutal in jedem Fall. Denn die Natur liebt mich nicht. Nicht mal nur in ungleichem Maße. Sie liebt mich gar nicht. Ein schleichender Prozess. Es schmerzt. Seelisch und körperlich. JA, ich will euer Mitleid erregen 🙂 Oder aber ein Leid mit euch teilen – kommt drauf an.

Denn ich habe Heuschnupfen. Eine Pollenallergie.

Foto: Sabrina Beyer

Keine Angeborene. Und um das zu diagnostizieren, brauche ich keinen Arzt. Ich lebe lange genug mit klarem Bewusstsein über meine Körperfunktionen und -reaktionen. Meistens jedenfalls… Und ich lebe lange genug wieder in der Natur der Altmark, um es nicht mehr ignorieren zu können. “Wenn, dann ist es eine altersbedingt erworbene Allergie. Oder es ist eine durch deine geänderte Umgebung verursachte!”, bekam ich stattdessen vor den Kopf geknallt. Zum Glück war da eh grad ein Brett vor. Eines, das aus angestauten Sekreten in verstopften Nebenhöhlen gemacht ist und dämpft. Solange ich in der Großstadt lebte, nüscht. Es ist paradox, entbehrt jeder wissenschaftlich-medizinischen Grundlage. Und die lese ich so:

  • Haben deine Eltern keine Allergie, hast du große Chancen, auch keine zu entwickeln. Check. Haben sie nicht. Und auch alle anderen meiner Ahnen nicht.
  • Bist du auf dem Land aufgewachsen, hast du große Chancen, keine Allergie zu entwickeln. Check. Bin ich. Genug “Dreck gefressen” beim Spielen zwischen Schweinen, Hühnern, Pferden, Hasen, Hunden und Katzen. Später Rumtreiberin hauptsächlich in den Osterburger Karnickelbergen. Und so weiter. Alles draußen. Hauptsache draußen in Wäldern und auf Wiesen.
  • Lebst du auf dem Land, hast du große Chancen, keine Allergie zu entwickeln. Check. Tue ich. Mit dem einschränkenden Zusatz “wieder”.

Dazwischen eine lange Phase Stadtluft und das rächt sich jetzt scheinbar. Und zwar klingonisch! Als “Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird!”, wie Khan Noonien Sing, Ergebnis genetischer Experimente des 20. Jahrhunderts (!), in Star Trek II – Der Zorn des Khan ein altes Zitat der Klingonen bemüht als er auf Captain James T. Kirk trifft. Oder kam der frostige Spruch zuerst in Der Pate aufs Tablett? Auch egal… Er passt für mich / auf meinen zwischen trotzig bis beschämt pendelnden Umgang mit dem Status “Allergiker mitten im Grünen”.

Allergiker – mitten im Grünen

Noch immer weigere ich mich, einen Test zu machen, der bei Birke, Haselnuss, Erle & Co. + Gräser und was weiß ich positiv ausschlägt. Warum? Ich will es einfach nicht wahrhaben. Schon gar nicht schwarz auf weiß haben. Es sei denn Star Trek Doktor Leonard McCoy (“Pille”) führt die Untersuchungen mit seinem herrlichen Sinn für Ironie durch und zückt ein Zauberelixier, das meinen Körper problemlos – im Sinne von ohne Nebenwirkungen – an die Umgebung anpasst. Utopisch fantastisch! Ein Niesanfall beamt mich zurück in die Wirklichkeit.

Diese “Anpassungsstörung” geht nicht von allein weg, so viel ist klar. Ich gebe mich geschlagen, nach acht Jahren Rebellion gegen übermächtige unsichtbare Angreifer auf meine Schleimhäute! Ich betrete die Apotheke meines Vertrauens, frage die freundliche Fachfrau nach einem Antihistaminika. Sie schaut mir in die entzündeten Augen, auf die wunde Stelle zwischen Nase und Oberlippe, lächelt weise, hat gewisses Bedauern im Blick und erklärt mir die Nebenwirkungen der einzelnen Allergieblocker. “Danke, ich nehme…. keins…”, möchte ich sagen. Aber wozu? Die Waffen hatte ich beim Betreten der Apotheke doch sowie schon niedergestreckt. Wozu jetzt noch der aufkeimende Trotz? Angeboren, kannste nüscht machen. Doch das kurze, aber kräftige Aufbäumen der kleinen Rebellin in mir unterdrücke ich harsch. Nein, die kleine Klingonin in mir – temperamentvoll bis aufbrausend, leicht reizbar bis aggressiv zuweilen, wenn es an die eigene Ehre geht. Ich bezahle brav und stopfe die Trophäe meiner Niederlage in die Tasche, steige in meine “HMS Bounty” und fliehe mit maximaler Warpgeschwindigkeit.

Es heißt ja: Man sucht sich nicht aus wen man liebt. Und man sucht sich eben auch nicht aus was passiert, wenn man es tut. Das Feedback kann erschütternd sein. Niederschmetternd. Tränenreich. In meinem Fall heißt das:

  • erschütternd, wegen ständiger Niesanfälle
  • niederschmetternd im Sinne von latent angeschlagen matt
  • tränenreich, weil permanent gereizte Augen nunmal ihren eigenen Gesetzen gehorchen

Ich fühle mich betrogen! Und ich kann auch über die bissige Diagnose meiner Großstadtfreundin nicht wirklich lachen

Ganz klar ‘ne Altmark-Allergie!

Was sie meint:

“Wunderbarer grüner Scheiß überall!”

…um es mit den Worten von Joe Merriwether im Film Die Vorsehung zu sagen. Denn genau diese eine Filmszene schlich sich letztens in mein Bewusstsein, obwohl der Streifen nach meinem Geschmack eher auch zum Vergessen einlädt. Der FBI-Typ und seine Partnerin fahren raus aufs Land zum Psychoanalytiker Dr. Clancy (Anthony Hopkins). Er lebt abgeschieden, idyllisch, umgeben von Natur pur. Ein bisschen entrückt. Der Weg dorthin ist lang, einladend grün, Alleen säumen die Landstraße und zwischendrin ist die Natur in allen Farben bunt gefärbt. Könnte die Altmark sein. Man schwelgt so dahin und dann diese Beschreibung der Umgebung: “So viel wunderbarer grüner Scheiß überall!”

Foto: Sabrina Beyer

Hier in der Altmark leben wir was das angeht im Überfluss, werden um die Natur direkt vor der Haustür beneidet. Ich zumindest – von Freunden, die zu Besuch kommen. Werde ich nach meinen Lieblingsecken gefragt, kann ich das so genau gar nicht sagen – besser gesagt, ich kann / will mich nicht entscheiden. Ich habe mich entschieden, nicht zu entscheiden. Ist auch ‘ne Entscheidung! Es wäre zum einen ungerecht gegenüber den anderen lauschigen Plätzen. Und außerdem habe ich bei weitem nicht alle entdeckt. Die Altmark ist groß, unendliche Weiten… Aber gut, ein Platz hat es mir angetan, gleich zu Beginn meines persönlichen Experiments “Altmark 2.0”:

Das “Elbische Moor” an der Fähre nach Sandau

Foto: Sabrina Beyer

Jahrelang stand ich dort jeden Morgen an der Gierseilfähre auf der Elbseite Büttnershof-Sandauerholz und wartete auf die Überfahrt nach Sandau. Genoss im Frühling und Sommer die aufgehende Sonne, auf dem Weg nach Hause manchmal auch die untergehende. Bestaunte im Herbst die Nebelfelder und Lichtspiele über der Auenlandschaft. Bangte bei nahendem Winter um die Einsatzbereitschaft der Fähre. Und so manches Mal malte ich mir aus, wohin der Weg rechts von der Fähre führt, hinterm Deich – immer lang hin.

Er führt ins “Elbische Moor”. Willkommen im Auenland Altmark!

Foto: Sabrina Beyer

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