Zeit für ein Outing – heute am 23. April – anlässlich des Tag des deutschen Bieres. Denn am 23. April 1516 wurde das Reinheitsgebot für Bier verkündet. Seitdem gehört in unser Bier nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe – sonst nüscht. Dazu ein Schwank aus meinem Leben, einfach weil’s so schön passt.

Wir schreiben das Jahr 2011. Das Jahr meiner Rückkehr in die Altmark. Und dann kommst du hier an. Feinherb-spritzig, das Frische aus dem Pott, das Schwarze mit der blonden Seele, gebraut nach altmärkischem Reinheitsgebot. Naturtrüb, ungefiltert, auf besondere Weise versetzt mit rheinischer Frohnatur, großstädtischer Straßenschläue und verwöhnt vom kulinarischen wie kulturellen Überangebot direkt vor der Nase damals.

Hier in der Altmark. Meinem geliebten Zuhause. Einem Landstrich, der so dünn besiedelt ist wie kein zweiter in Deutschland. DÜNN…. Das Kölsch unter den Bieren…. Und ich bin dort Zuhause. Im Rheinland. In einem Landstrich, in dem eine Großstadtdichte herrscht wie in keinem Zweiten in Deutschland. DICHT…. Das Alt unter den Bieren.

Jaaaaa…. Biertrinken is jaaaaanz wichtig. Wem sachste dat – Mädschen…. Ich hörs noch, er wohnt noch in mir, dieser Mini-Horst-Lichter. Hängt mal an alle möglichen Wörter ein “chen” dran… Sowas wie “Reich mir mal dat Täschchen, Liebes”, oder eines der häufigsten Aufforderungen nach getaner Arbeit: “Lass ma ein Bierchen trinken gehen”. Herrlich. Oder? Und vielleicht auch nur für mich, das mag sein. Was für alle aber gilt:

Neeeeeiiiiiiin, Bier trinken macht keine größeren Brüste! Ein gängiges Lockmittel an rheinischen Theken. Na Moment. Nicht einfach Theke Bitteschön. HALLO???? Wir haben in Düsseldorf schließlich die längste Theke der Welt… ja ja, ja, ja [stellt es euch gesungen vor]

Männer und Biertrinken. Eine unendliche Geschichte

Ach Männer. Ich möchte auch manchmal einer sein. Echt jetzt. Denn Männer wie wir trinken Wickhüler Bier! Astra – was dageben? Quatsch. Abends BIT, morgens fit. Das flenst…. Männer und Biertrinken. Eine unendliche Geschichte. Eine Geschichte voller Magie. Gespickt mit Geheimnissen. Ich habe Männer im Freundeskreis, die das Biertrinken derart glorifizieren, dass jeder von ihnen Zuhause irgendwo einen kleinen Schrein herrichtet hat, jeden Abend beim Nachhausekommen eine Kerze dort anzündet, kurz innehält und dem Hopfengott huldigt. Mit Opfergabe natürlich. Eine die zischt und anschließend kühl die Kehle runterläuft.

Dieser Schrein meines Freundeskreises wird geteilt. Digital. Sozial. Medial. In einer Facebookgruppe namens “Dorfkrug”. Für Frauen? Kein Zutritt. Dafür tummeln sich im güldenen Kessel des Glücks jede Menge Exil-Altmärker, verstreut in alle Himmelsrichtungen und damit perfekter Gärboden für…. schaumig-schönen, gefühlsduseligen – ja sogar zum Teil hochpoetischen – Gesprächsstoff über das Bier.

Sie posten sich Bilder von Neuentdeckungen oder auch nostalgischen Wiederentdeckungen wie einer Uraltflasche Stendaler Flockenwirbel aus Opas Keller. Und das nicht einfach irgendwie. Nein. Instagrammäßig mit Filtern bearbeitet, vor ausgewähltem Hintergrund – kuschelig vorm Kamin oder malerisch an den Rand eines Kornfeldes gestellt, mit lyrischen Texten dazu UND…. im Glas natürlich – mit daneben stehender Flasche.

Findling Bier aus Klein Schwechten, Altmark

Warum im Glas fragte ich irgendwann einen Freund? Und schlagartig wurde mir bewusst, warum Frauen wie ich mit selten dämlichen Fragen wie diesen keinen Zutritt haben. Eine Antwort auf diesen…. Blick….. ließ auf sich warten. Irgendwann schenkte sich jener Freund Wochen später mal ein Findling aus der kleinen Brauerei in Schwechten ein. Schaut versonnen aufs Glas, wie sich eine 1A Schaumkrone formt und sagt nur: “Noch Fragen?” Äh… Nee…. Ich bin halt ne Flasche. Beim Biertrinken sowieso immer Flasche, wenn es nach mit geht. Banause! Ich weiß… Aber es hat auch was…. Denn dem geneigten Bier-aus-Gläsern-Trinkenden entgeht etwas. Macht mal bei Gelegenheit ein Becks frisch auf und riecht an der Falsche. Direkt im Anschluss. Die Nase richtig nah an die Öffnung. Dann weiß man warum Hopfen und Marihuana als Pflanze nicht soooo weit auseinander sind. Glaubt mir! Beide gehören zur Familie der Hanfgewächse, die Blüten sehen ähnlich aus…. Und dann der Geruch – zumindest beim Öffnen einer Flasche Becks… Kein Witz. Probiert es aus.

Die Jungs um mich rum aber zelebrieren nicht nur das eingießen und trinken. Selbst das Öffnen einer Flasche wird zum Festakt. “EY BIST DU IRRE?”, klingt der Anschiss noch heute in meinen Ohren nach. Als ich gerade eine Bierflasche mit dem Feuerzeug öffnen will. Nicht im Restaurant, nicht bei den Schwiegereltern am Tisch, in keiner feinen Gesellschaft. Nein, beim Grillen. Also gesellschaftlich korrekt, würde ich meinen. Und überhaupt – Hallo? Ich kann Bierflaschen mit nem Feuerzeug öffnen! Naja, hier unter uns altmärkischen Frauen nichts Besonderes, habe ich gemerkt.

Reliquie Kronkorken – Gegenstand bierkultischer Verehrung

Was war also los? Ich hatte eines meiner Lieblingsbiere am Wickel – mitgebracht. Kannte er nicht. “MAN DAS HAB ICH NOCH NICHT”. Wie, hast du noch nicht? Und wieder dieser… Blick…. Doch dieses Mal kann er mich nicht unwissend abblitzen lassen. Denn ich habe etwas, das er will. Einen Kronkorken! Eine Reliquie. Gegenstand bierkultischer Verehrung. Die Flasche wird mir entrissen und sanft geöffnet. Der Kronkorken liebevoll begutachtet. Mir fällt Gollum, die Kreatur aus Herr der Ringe ein – “MEIN SCHATZ”…. Ich könnte mir den nicht vorhandenen Bierbauch streicheln. Ein Reflex – nicht angeboren – aber innig studiert und einverleibt.

Schnell lerne ich in der Altmark das Bier Unser:

Bier unser, das du bist im Glase
Gesegnet sei dein Erfinder
Mein Rausch komme
Mein Filmriss geschehe
Wie im Bierzelt
So auch in der Kneipe
Und vergib uns unsere Schulden
So auch wir vergeben unseren Wirten
Und führe uns nicht in Versuchung
Sondern erlöse uns vom alkoholfreien Bier
Denn dein ist der Rausch
und die Bierseligkeit
in Ewigkeit.
Prost.

In diesem Gebet steckt der Teufel. Und ich oute mich jetzt. Ja, ich liebe Bier – mehr als Wein oder Schicki-Micki-Mixgetränke. Immer schon. Aber…. ich bin auf die dunkle Seite der Macht gewechselt. Vor langer langer Zeit schon. Abgründe tun sich auf. Ich trinke alkoholfrei. Ausschließlich. Ich trinke gar nicht. AUAUAU…. Suspekt… Mit der Frau kann was nicht stimmen. “Bist du trocken?”, “Bist du etwa schwanger?” Zwei Fragen, die ganz Hartgesottene auch wirklich stellen. Und zwar in dieser Reihenfolge! Oder die man zumindest in Gedankenwolken über dem Kopf des Gegenübers sieht. Szenenwechsel:

Dorfkneipe. Ganz normal alles.
Ich: “Ein alkoholfreies Bier bitte.”
Schlagartig Saloon-Atmosphäre.
Draußen zirpen Grillen. Steppenläufer rollen über den heißen Sand.
Stumme, starre Blicke. Man steht sich gegenüber. Wer zieht schneller…
Er: Und jetzt sucht euch was aus dem SprücheSammelsurium aus:

Alkoholfreies Bier trinken ist wie ein BH auf der Wäscheleine: Das Beste ist raus.
Wer alkoholfreies Bier trinkt, fegt im Sommer auch den Sand am Strand weg.
Alkoholfreies Bier ist wie ein Porno im Radio.
Alkoholfreies Bier ist wie ein Duftbaum am Fahrradlenker. Nutzlos.
Alkoholfrei? Schau mal im Wasserhahn nach, da müsste noch was drin sein.

In diesem Sinne – noch einmal Prost!

Bier aus Schulzens Brauerei Tangermünde

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