Die Ruine des alten Gutsverwalterhauses zwischen Kreveser Gutshof und Herrenhaus erhalten und zu einem “Open-Air-Dorfwohnzimmer” für Besucher, Gäste, Touristen und alle Bewohner entwickeln – das haben sich Ralf Engelkamp und Rainer Kranz auf die Fahne geschrieben.

Herrenhaus Krevese Ralf Engelkamp | In the middle of Nüscht | Jana Henning | 20018

Ein imposanter Kirchturm, hohe Eichen und eine schmale Einfahrt im Augenwinkel, das heißt für Rainer Kranz Blinker setzen und abbiegen. Etwa so ist es gewesen, als der Kunsthistoriker und Botaniker nach dem politischen und gesellschaftlichen Umbruch 1989 bei einer seiner “Gutshaussafaris” durch Krevese kommt. Der gebürtige Gütersloher hat Verwandtschaft in der Altmark, privates und berufliches Interesse kommen zusammen. Und dann ist da dieser kleine, vielleicht noch nicht gleich als solcher zu erkennende Hinweis auf einen großen Wendepunkt im Leben:

„Dit könn‘ se koofen!“,

lässt eine Dorfbewohnerin nebenbei fallen, was fruchtbaren Boden findet. Gemeint ist das zu DDR-Zeiten als Polytechnische Oberschule genutzte Herrenhaus von 1725. Na Moment, so ganz richtig ist das nicht, denn “hier sind Klostersteine von 1160 verbaut”, stellt Ralf Engelkamp richtig, der sich von Freund Rainers Idee begeistern lässt. Die Familie von Bismarck habe mit dem Herrenaus 560 Jahre später eher ein gigantisches Umbauwerk vollendet. “Wir sehen das hier für uns als weitere kleine Kerbe im großen Rad der Geschichte”. Seit dem Kauf 2003 setzen die beiden alles daran, “sämtliche Nuancen zum Leuchten zu bringen”. Das OpenAirWohnzimmer in Krevese ist also der nächste Schritt…. Ein eigenwillig charmanter und auch logischer…

Na dann mal rein in die gute Stube…

„und bald sind hier ganz verschiedene Menschen zusammen unter freiem Himmel, kommen ins Gespräch oder auch nicht, lassen die Seele baumeln, gärtnern vielleicht ein bisschen, genießen den Feierabend oder eine Kulturveranstaltung, arbeiten womöglich zusammen an einem Projekt“,

sieht Ralf Engelkamp schon, wofür jeder andere noch eine gehörige Portion Fantasie braucht. Die hat er. Und ein mutiges Herz – genauso wie Kunsthistoriker und Botaniker Rainer Kranz, mit dem er seit 15 Jahren das Kreveser Herrenhaus samt Drumherum aus dem Dornröschenschlaf holt.

Hier! Damit ist die stark und wild “eingegrünte” barocke denkmalgeschützte Ruine des ehemaligen Gutsverwalterhauses von 1721 zwischen Gutshof, Klosterkirche, Zugang zum öffentlichen Landschaftsgarten und Herrenhaus gemeint. Ein bisher blinder Fleck, der bald als “Open-Air-Dorfwohnzimmer” Farbe annehmen soll. Nicht einfach so, still und heimlich in privater Mission, sondern “Rette mit, wer kann” – als Gemeinschaftsprojekt von Anfang bis Ende in fünf Schritten. Wie das?

Kleine Schritte für große Wirkung

“Die historische Bausubstanz ist wertvoll”, biegt der seit 2003 vor den Toren Osterburgs mit dem Designbüro “Atelier offen” selbständige Grafiker armdicke Äste beiseite, geht in die Hocke und demonstriert,

“der Giebel und die Außenmauern aus Feld- und Backstein sind gut erhalten”.

Doch es besteht Einsturzgefahr, abwendbar durch eine betonierte Holzkonstruktion, für die im Herbst ein lokaler Handwerker beauftragt werden soll. Nach der dringenden Grundsicherung geht es im zweiten Schritt ans Aufräumen und Entsorgen. “Bis auf eine verlorene große Scheune wäre das Gutshofensemble damit für die Zukunft erhalten”, ist der aus Lüdinghausen bei Münster stammende Wahlkreveser begeistert.

Vor allem von der Idee eines Wohnzimmers unter freiem Himmel, “das für alle dann immer geöffnet ist”: Dorfbewohner, Anrainer, Gäste, Touristen.

Damit nicht genug, denn in den angrenzenden Küchengärten und der Orangerie wuchsen einst Gemüse, Früchte und Kräuter – “wir möchten auch einen Garten für alle entstehen lassen”, wenn auch erst in Schritt drei bis fünf, das mit Fördermitteln realisiert werden soll.

Open-Air Dorfwohnzimmer Herrenhaus Krevese | In the middle of Nüscht | Jana Henning | 20018

Projektidee live erklärt am 19.08.

Aber der Reihe nach: Damit es dazu kommt, setzt das kreative Duo auf breites Interesse an der Rettung der Ruine und die Stärke der Gemeinschaft. “Um die Notsicherung finanzieren zu können, haben wir auf der Online-Plattform Startnext ein sogenanntes Crowdfunding-Projekt eingestellt, das auch in einem Film erklärt wird”, lädt Engelkamp zu einem Besuch dort ein. Zum Mitmachen und Weitersagen ebenfalls. Eine weitere Möglichkeit, mehr über das Projekt zu erfahren, bietet sich Interessenten bei der jährlichen Aktion “Private Gärten öffnen” am Sonntag, dem 19. August 2018, von 12 bis 18 Uhr. Jedes Jahr gibt es einen anderen thematischen Schwerpunkt bei den insgesamt drei Parkführungen am Nachmittag. Logisch: das Dorfwohnzimmer ist in drei Wochen Dreh- und Angelpunkt.

“Nach den heftigen Orkanschäden im Oktober 2017 ist der Park überhaupt erst wieder zugänglich”, steht ihm der Schock über Xaviers Naturgewalt und dessen Folgen noch deutlich ins Gesicht geschrieben; geht aber direkt über in zuversichtliche Freude. Zum einen, weil die Aufräumarbeiten soweit fortgeschritten sind, dass wiedereröffnet werden kann. Zum anderen, weil seit Projektstart vor vierzehn Tagen bereits 725 Euro für die Freiluftstube eingegangen sind. Benötigt werden vorerst 2.000 Euro. Die Idee rückt nicht zum ersten Mal in den Fokus. Seit die beiden herzogen – nicht nur um zu leben und zu arbeiten – sondern um z. B. mit “Kulturstückchen” wie regelmäßigen Konzerten, Lesungen, Ausstellungen, einem Weihnachtsmarkt und offenen Gartentag zur kulturellen Lebendigkeit des Ortes beizutragen, gilt es “auch diese kleine Kerbe im Zahnrad der Kreveser Geschichte” zu erhalten. Die Zeit ist reif für ein kleines Stück große Gemeinsamkeit…

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