Mutprobe Rückkehr? Für manche ja, für Familie Müller aus Flessau, ein Ortsteil in der Einheitsgemeinde Hansestadt Osterburg (Altmark), nicht. “Wir sind einfach wieder Zuhause angekommen”, bezeichnet Guido Müller eine für ihn logische Konsequenz nach 17 Jahren im Hessischen. Ob auch oder erst recht nach so langer Zeit, darauf gibt es keine Antwort. Aber nein, mit dem Herzen waren er und Ehefrau Katharina nie weg. Das von beiden in Kinder- und Jugendtagen geknüpfte Band nach Osterburg und Flessau leierte nie aus, dazu war der Sog der Freunde und Familie immer zu stark. Beidseitig.

Altmark-Rückkehrer: Famlilie Müller aus Flessau / In the middle of Nüscht / Foto: Jana Henning

Nur mit dem Kopf waren sie weg, “obwohl wir uns in Bad Soden-Salmünster sehr wohlgefühlt haben”, so die gebürtige Osterburgerin. Vielleicht ja, weil das beschaulich-ländlich geprägte Städtchen im Kinzigtal mit seinen rund 13.000 Einwohnern ihrer Meinung nach nicht so wirklich anders ist, als sie es von der altmärkischen Heimat gewohnt sind. Und in die benachbarte Großstadt Frankfurt zog es die beiden nie. “Mir hat der weite Blick gefehlt”, schildert die seit 2015 im brandenburgischen Breese beschäftigte Grundschullehrerin und meint damit nicht nur was das Auge sieht, sondern vor allem die Perspektive im Berufsleben.

Wie bitte? Zurück in die Altmark = Zurück in die Zukunft?

Als die heute 39-Jährige mit dem Abitur in der Tasche 1997 vor der Berufswahl stand, hörte sie aus allen Richtungen:

“Sieh zu, dass du weggehst, hier findest du sowieso nichts.”

Zu klein, zu wenig Aussicht. Die Enge und vermeintliche Chancenlosigkeit der Altmark trieb das Paar weg. Wie so viele damals. Doch die Region braucht Fachkräfte und für Katharina Müller hieß das nach etlichen befristeten und damit relativ unsicheren Jobs mit der Verbeamtung vor zwei Jahren eine langfristige Perspektive, wenn auch nicht direkt vor der Haustür. Anders als bei Guido Müller, der nach seiner Tischlerlehre eine Ausbildung zum Physiotherapeuten anschloss und an einem Hanauer Klinikum arbeitete. Inzwischen geht der ebenfalls 39-Jährige seiner Passion in der Osterburger Physiotherapie Mauer nach. Mit viel Freude und einem sehr guten Arbeitsklima, was er nicht nur an dem neuen, modernen Umfeld festmacht, in das er mit mit seinen Kollegen gerade in den Praxisneubau an der August-Bebel-Straße umzieht.

“Wir sind zusammen hier ganz bewusst weggegangen, wir sind zusammen hier ganz bewusst wieder hergekommen”, das sei für die beiden immer klar gewesen. Erst recht mit der Geburt von Tochter Lina. Die Neunjährige hat sich hier sehr gut eingelebt, den Landkreis Stendal im Landesfinale der Lesekrone gerade würdig vertreten und viele Freunde gefunden. Nur manchmal vermisst sie die Berge. Die Betreuungssituation sei besser, Oma und Opa gleich nebenan, alles sehr viel übersichtlicher und “wir waren die ganzen Jahre über ja auch sehr viel hier – in unserer Heimat.” Und die Reaktion auf die Rückkehrgedanken vor zwei Jahren?

“Damit hat wohl keiner mehr gerechnet, einschließlich wir, aber natürlich haben sich alle gefreut”,

nur die Kollegen und Bekannten in Bad Soden-Salmünster nicht, gestalte sich der Abschied für Guido Müller dort sehr schwer, gibt er gerne zu.

Alles in allem keine leichte Entscheidung, keine leichtfertige und keine, die sie bereuen. Ein Schritt zurück, zwei Schritte nach vorn also. Der Versuch an die Vergangenheit anzuknüpfen und sie in die Gegenwart zu holen ist geglückt. Nicht nur für die Müllers. Ihre Geschichte ist inzwischen beispielhaft. Viele junge Menschen sind vor Jahren in andere Bundesländer abgewandert, um sich auszubilden zu lassen und einen interessanten, gut bezahlten Job anzunehmen. Davon, dass es auch im Landkreis Stendal attraktive Jobs gibt, können sich Interessierte am 27. Dezember 2017, von 10 bis 13 Uhr im Stendaler Landratsamt überzeugen. Viele Firmen der Region stellen sich an diesem Tag vor, unterbreiten ihre Angebote, zeigen Karriereperspektiven auf und stehen als Diskussionspartner zur Verfügung. So auch die Hansestadt Osterburg mit Bürgermeister Nico Schulz. Der Rückkehrertag ist eine gute Gelegenheit für alle, die beim Weihnachtsbesuch in der Heimat feststellen, dass es schön wäre, wieder hier zu leben. Für alle, die sich nach bezahlbarem Wohnraum, nach verfügbaren Kita-Plätzen und nach Kontakt zu Freunden und Verwandten sehnen. Die in der Enge der Ballungsräume immer mehr erkennen, dass zum Leben auch bodenständige Kultur und freie, unverbrauchte Natur gehören. All jene, die bisher auf diese Vorzüge ihrer Heimat verzichtet haben, weil es angeblich in der Altmark keine Arbeit gäbe, können sich am Tag nach dem Fest vom Gegenteil überzeugen lassen.

 

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